22. April 2008

Genauigkeit

Ich dachte bisher es gäbe wenig Menschen, die genauer sind, als Menschen in Deutschland. Für viele Dinge gibt es bei uns Vorschriften, alles ist bin ins Kleinste genau geregelt. Und doch schlagen uns die Japaner um Längen. Ich weiß zwar nicht, ob dies ein Sonderfall war, oder ob japanische Frauen noch genauer sind als Männer, aber dieses Beispiel an Genauigkeit ist schon beeindruckend. Wenn nicht gar beängstigend.

Misako, Saori und ich haben am Sonntag einen Backkurs besucht. Wir haben bei einer Japanerin deutsches Brot gebacken, die in Hannover ihr Handwerk gelernt hat. In Japan hat sie eine Zeit lang als Bäckerin gearbeitet und gibt jetzt private Backstunden für Interessierte. Zum Glück sprach sie auch deutsch, sodass sie zwar alles doppelt erzählen musste (japanisch und deutsch), aber es gab zumindest keine Probleme mit der Verständigung.



Wir haben uns zusammen gesetzt, bevor die eigentliche Arbeit los ging, und sprachen die einzelnen Arbeitsschritte durch. Mir wurden Kaisersemmeln zugeteilt, Misako durfte Maisbrötchen und Saori Bagles zubereiten. Ich würde Maisbrötchen und Bagles zwar nicht unbedingt zur klassischen deutschen Backkunst zählen, aber was solls. Für die beiden Damen war es gut genug.

Jeder von uns bekam eine Liste mit den Zutaten. Weiterhin standen die Gär- und Backzeiten auf dem Zettel. Wir sind gemeinsam jeden einzelnen Schritt durchgegangen, einige Fragen wurden gestellt und anschließend sollten wir beginnen. Verwunderlich waren die Angaben auf dem Zettel, so sollte Misako zum Beispiel 7.65 Gramm (sieben Komma sechs fünf) Salz in ihren Teig geben. Mir wurde aufgetragen, 259.2 Gramm Wasser bereit zu stellen, um es zum geeigneten Zeitpunkt zu verwenden. Nun hab ich zwar kein Problem damit, 259.2 Gramm Wasser abzuwiegen, fand es aber doch etwas befremdlich. Ich vermute, 260 Gramm hätten es auch getan.



Jedenfalls waren nicht nur die Angaben sehr genau, auch die Arbeit der beiden Damen stand dem in nichts nach. Sollten wider erwarten einmal vier oder fünf Gramm einer Zutat zu viel in die Schüssel gelangt sein, so wurden diese – nach einem kurzen, aufgeregten hin- und herhopsen – wieder aus der Schüssel heraus gelesen. Und zwar Gramm für Gramm.



Der ein oder andere Leser weiß sicherlich, dass ich es beim Kochen oder Backen nicht so genau nehme mit meinen Zutaten, doch ich habe versucht mich zumindest nah an den Angaben zu halten. Misako war jedenfalls sichtlich aufgeregt, als ich 28 statt 24 Gramm Öl in meinen Teig goss. Die Bäckerin nahm es etwas gelassener. Am Ende wurden die Brötchen jedoch alle ein Erfolg. Wir haben einige der Brötchen gleich noch an Ort und Stelle verputzt, den Rest mit nach Hause genommen.



Es ist erstaunlich, welche Sorgfalt, welche Genauigkeit und Vorsicht jede der Damen hat walten lassen. Auf der einen Seite sicher eine gute Eigenschaft, aber zum anderen auch hinderlich, erlaubt es doch kaum zu experimentieren. Die Bäckerin, mit der ich mich ein wenig unterhalten habe, war auch gespalten, ob dies eine gute Eigenschaft der Japaner ist. Sie beschrieb Japaner (und insbesondere Japanerinnen) als übervorsichtig. Ich glaube eine gesunde Mischung als Vorsicht und Experimentierfreudigkeit macht das Leben einfacher.

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

dann bin ich weiterhin für den kuchen zuständig, und du ab sofort für brot und frische brötchen am sonntag morgen. perfekt!

Anonym hat gesagt…

Steffi - an dich musste ich sofort denken. ;) Du backst die Kuchen sicherlich (fast) ohne Rezept, stimmt's?! V.

Anonym hat gesagt…

*g* und ich dachte deutsche Ämter sind penibel. Aber wie sagt man: Wes Brot ich pack, des' Rezept ich bis aufs Jota genau befolg'

Gruß von den Piloten!