Als Eingesperrter in West-Berlin, waren die Urlaube in meiner Jugend immer eines der Highlights unseres Familienlebens. Nicht zuletzt auf Grund des Nervenkitzel der Transitstrecke, die wir nutzen mussten. Ich selbst empfand es nie als besonders nervenaufreibend, doch die Anspannung war meiner Mutter sehr wohl anzumerken. Die Fahrt nach Helmstedt musste möglichst ohne Zwischenstopp und ohne zu viel Gemaule von der Rückbank von statten gehen. Daher war es Tradition, mir ein
Lustiges Taschenbuch (LTB) in die Hand zu drücken, sobald wir die Fahrt in Marienfelde begonnen haben. Erste Besonderheit war stets, dass das Heft auf keinen Fall einem der eifrigen Wächter des antifaschistischen Schutzwalls auffallen sollte. So musste ich die lange Zeit der Einfahrt in die DDR ohne Comics verbringen. Das LTB lag sicher tief in meinem Rucksack. Doch in der Tat hätte es passieren können, dass diese westliche Propaganda von einem Grenzbeamten sicher gestellt wird. Und wie groß wäre dann erst das Gejammere gewesen. 3 Stunden über eine ausbesserungsbedürftige Autobahn ohne ein Heft, welches mein Blick von der Trostlosigkeit des real existieren Sozialismus fernhält.
Die Tradition des LTB habe ich aufrecht erhalten, auch schon lange nachdem die DDR annektiert wurde. Bei unseren Reisen nach Rom, London, zu den Azoren oder nach Amerika war auch stets ein LTB in meinem Rucksack. Nachdem ich mein Essen hier an Board zu mir genommen habe, öffnete ich das Geschenk, welches mir Steffi noch am Flughafen in die Hand gedrück hat. Zum Vorschein ist ein LTB gekommen, etwas, das ich tatsächlich für diese Reise nicht erworben hatte. Somit kann ich mich jetzt zurück legen, und mich in meine Kindheit zurück versetzt fühlen.
Noch viel besser ist jedoch das kleine Fotoalbum, weches Steffi liebevoll mit Fotos aus 8 Jahren bestückt hat. Bei einigen der Aufnahmen ist mir nicht einmal klar, woher sie stammen. Doch eins haben sie gemein, sie erinnern mich daran, weswegen ich unbedingt zurück muss. Wenn auch erst in 3 Monaten.
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